Knapp elf Monate nachdem die Stadt Herne einen innovativen Beteiligungsprozess für die Entwicklung der ehemaligen Bergwerksfläche „General Blumenthal“ vorgestellt hat, liegen nun die Empfehlungen des Kommunalen Entwicklungsbeirats (KEB) vor.
In der „Alten Druckerei“ in der Herner Innenstadt nahm der KEB im Februar 2022 seinen Anfang. Hier hat sich nun auch für den Kommunalen Entwicklungsbeirat der Kreis geschlossen. Der Beirat übergab am Montag, 9. Januar 2023, seine Ergebnisse aus Beratungen und vier Workshops als „Empfehlungen für den Rat der Stadt Herne und den Oberbürgermeister“ an Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda. Nun werden sich die politischen Gremien mit den Empfehlungen befassen, die wertvoller Baustein bei der Reaktivierung das ehemaligen Zechengeländes zu einem zukunftsträchtigen Quartier sein werden.
„Das Experiment ist gelungen“, eröffnete Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda die Veranstaltung. „Es wurde durch eine gute Organisation viel Vertrauen aufgebaut und die Bereitschaft zu Kompromissen ist gelungen.“ Jetzt müsse die Politik den Prozess weiter vorantreiben und dabei "groß" denken: „Das Ganze ist ein Referenzprojekt für einen nachhaltigen industriellen Wandel“, so Dudda.
„Es war ungewohnt anstrengend“, beschreibt Prof. Gesine Schwan ihre Zeit im KEB. „Aber die Herner Erfahrung war für mich immer ein Lichtblick.“ Das gelungene Ergebnis sei schließlich eine Grundstruktur für eine gemeinsame Vision. „Von der erfolgreichen Blaupause Herne können wir lernen“, urteilte auch Dr. Stephan Muschik, Geschäftsführer der E.ON Stiftung. So soll der innovative Beteiligungsprozess auf weitere Projekte übertragen werden.
Die Verwaltung war seit dem Ratsbeschluss im Jahr 2020 dazu verpflichtet, „…ein Konzept zur Bürgerbeteiligung und Bürgerinformation zu erstellen, um die kontinuierliche Einbindung und Partizipation der Herner Bürgerschaft während des gesamten Projektverlaufs zu gewährleisten“ (Ratssitzung vom 23. Juni 2020, Vorlage 2020/0382).
Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda entschloss sich daher für die Beteiligung den neuen Ansatz „Kommunaler Entwicklungsbeirat“ (KEB) zu pilotieren, der von der Berlin Governance Platform entwickelt, begleitet, moderiert und von der E.ON Stiftung gefördert wurde. Der Kommunale Entwicklungsbeirat ist ein Gremium, das Vertreter*innen aus der Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammenbringt, um in einem moderierten Dialog einen Grundkonsens zu einem relevanten Zukunftsthema der Stadtgesellschaft zu entwickeln.
Der Ansatz bot Herne eine doppelte Chance:
Koordiniert und umgesetzt wurde der KEB in Zusammenarbeit zwischen dem Berliner Team um Prof. Gesine Schwan und Dr. Christina Rentzsch Leitung der Stabstelle Zukunft der Gesellschaft im Büro des Oberbürgermeisters. Im April 2022 startete der KEB Herne mit der ersten ganztätigen Sitzung. Hierzu waren 30 Personen aus den verschiedenen Interessengruppen eingeladen. Moderiert von Gesine Schwan sowie Gudrun Thierhoff und Heinz Letat, tagte der KEB insgesamt vier Mal, um Empfehlungen für den Rat der Stadt Herne zur zukünftigen Entwicklung des Geländes Blumenthal zu erarbeiten. Flankiert wurden die Sitzungen durch zusätzliche Formate wie thematische Arbeitsgruppen und sogenannte „Sommerdialoge", welche die im KEB vertretenden Organisationen in Rückbindung an ihre
Mitgliedschaften koordinierten. In einer öffentlichen Veranstaltung konnten Herner*innen außerdem in der Fußgängerzone in Wanne-Eickel und online ihre Perspektive auf die Empfehlungen des KEBs teilen. Ziel war es, alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen und Initiativen einzubeziehen und zu einem möglichst gemeinsam getragenen Ergebnis zu kommen.
Die 30 eingeladenen Teilnehmer*innen setzten sich zusammen aus:
Hinzu kamen als beratende Begleitung Vertreter*innen der Verwaltung bzw. anlassbezogen auch Expert*innen wie zum Beispiel zum Thema Seilbahn oder Stadtplanung. Für die Öffentlichkeit wurde der Prozess über den Blog www.kebherne.blog sowie auf Instagram unter #entwicklungsbeirat durchgehend begleitet.
Gemeinsam hat der KEB die folgenden fünf Leitsätze erarbeitet, die am Ende des Prozesses von allen Mitgliedern unterzeichnet wurden:
Blumenthal soll so gestaltet werden, dass Mensch und Natur die Fläche im Einklang miteinander nutzen und erleben können - barrierefrei und inklusiv. Dabei stehen ein sozialverträglicher Klimaschutz und eine klimagerechte Gestaltung genauso im Vordergrund wie ein Ort der Begegnung für alle Bürger*innen, was die Lebensqualität aller Einwohner*innen in Herne auf sozialer, physischer und psychischer Ebene erhöhen soll.
Die Nutzung der Fläche soll in guter, verbindender Nachbarschaft erfolgen. Das bezieht sich auf die lokale und regionale Nachbarschaft sowohl für die Menschen als auch für die Natur mit Bezug auf angrenzende Gebiete in der Region. Außerdem bezieht sich dies auf die Nachbarschaft auf dem Gelände selbst, wo Akteur*innen und Infrastruktur übergreifend in Kontakt kommen sollen.
Von der Planung der Fläche bis hin zu ihrer Nutzung sollen innovative Ansätze im Vordergrund stehen. Das bedeutet, dass die Fläche in allen Bereichen Platz für innovative Ideen und Akteur*innen bieten soll und auch die städtische Planung innovative Planungs- und Beteiligungsansätze miteinschließt.
Blumenthal soll jüngeren und älteren Menschen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, attraktive Arbeitsplätze und Angebote in der angewandten Forschung bieten - vorrangig in den Feldern Mobilität, Energie und Digitalisierung sowie im Bereich der Künstlichen Intelligenz.
Die Gestaltung der Fläche muss nachhaltig finanzierbar sein, und die Wirtschaftlichkeit der Ideen muss bei der Planung und Umsetzung berücksichtigt werden.
Zu den fünf Leitsätzen hat der KEB weitere Kriterien aufgestellt, die konkretisieren, was der Leitsatz in der Umsetzung bedeutet. Die Kriterien sind damit eine Messlatte, an der sich die Umsetzung des jeweiligen Leitsatzes orientieren soll und prüfen lässt.