|
|
Sachverhalt:
Die Firma DEGUSSA AG hat bei der Bezirksregierung Arnsberg als zuständige Genehmigungsbehörde eine Genehmigung zur wesentlichen Änderung der am Betriebsstandort Herne vorhandenen Acetonchemie-Anlage beantragt. Der Änderungsantrag bezieht sich auf den Anlagenteil zur Herstellung von Isophoron und Isophoron-Folgeprodukte. Ziel der beantragten Änderung ist eine Kapazitätserhöhung für Isophoron und Isophoron-Folgeprodukte.
In der Acetonchemie-Anlage wird aus dem Ausgangstoff Aceton Isophoron[1] hergestellt. Isophoron wird als Grundprodukt vor allem als Lösungsmittel in Industrielacken eingesetzt, hauptsächlich erfolgt jedoch die Weiterverarbeitung zu sog. Isophoron-Folgeprodukte. Für Isophoron-Folgeprodukte gibt es eine Vielzahl von Anwendungen (z. B. Herstellung von lösemittelfreien Beschichtungen).
Die beantragte Änderung der Acetonchemieanlage betrifft folgende Betriebseinheiten (BE):
BE 1: Isophoron (IP)-Herstellung
(bestehend aus 2 weitgehend identischen Teilanlagen)
beantragt: 3.
Teilanlage zur IP-Herstellung
BE 2: Cyanwasserstoff (HCN)-Herstellung
(bestehend aus 2 weitgehend identischen Teilanlagen)
beantragt: Kapazitätserhöhung
durch Optimierung der vorhandenen Teilanlagen zur HCN-Herstellung
BE 3: Isophoronnitril (IPN)-Herstellung
(bestehend aus 2 weitgehend identischen Teilanlagen)
beantragt: Kapazitätserhöhung
durch Optimierung der vorhandenen Teilanlagen zur IPN-Herstellung
BE 4: Isophorondiamin (IPDA)-Herstellung
(bestehend aus 2 weitgehend identischen Teilanlagen)
beantragt: 3. Teilanlage zur IPDA-Herstellung
Die anderen zur Acetonchemie-Anlage gehörenden Betriebseinheiten bleiben unverändert.
Die geplante Kapazitätserhöhung soll durch folgende Maßnahmen realisiert werden:
BE 1:
Isophoron (IP)-Herstellung
Zusätzlich zu den beiden vorhandenen Teilanlagen wird eine neue dritte Teilanlage errichtet.
BE 2:
Cyanwasserstoff (HCN)-Herstellung
Die Kapazitätserhöhung in der Betriebseinheit wird durch Austausch und Ergänzung von Apparaten –im Wesentlichen Änderung von Pumpen, Installation neuer Wärmetauscher zur optimierten Wärmenutzung und Verdichter- in den beiden Teilanlagen sowie durch eine verfahrenstechnische Umstellung der Fahrweise im Bereich der HCN-Synthese und der Reinigung des Rohgases erreicht.
BE 3:
Isophoronnitril (IPN)-Herstellung
Die Kapazitätserhöhung der Betriebseinheit wird durch Austausch von Apparaten (im Wesentlichen Pumpen und Wärmetauscher) und Ergänzung von Apparaten (im Wesentlichen jeweils ein neuer Reaktor in den Teilanlagen IPN-1 und IPN-2 mit Produktumwälzung, die baugleich zu den in den Teilanlagen vorhandenen Reaktoren sind, und zwei neuen Rektifikationskolonnen[2] in der Teilanlage IPN-1) erreicht.
BE 4:
Isophorondiamin(IPDA)-Herstellung
Zusätzlich zu den beiden vorhandenen Teilanlagen soll eine dritte Teilanlage errichtet werden. Die neue Teilanlage wird weitgehend identisch mit den vorhandenen Teilanlagen der Betriebseinheit sein.
Luftverunreinigungen:
Die Anlage
ist als geschlossenes System konzipiert. Emissionen entstehen durch die Verbrennung
der in den Anlagen anfallenden Prozessabgase und -abfälle. Die im Rahmen der
geplanten Änderungen zusätzlich zu verbrennenden Abgase und Abfälle sind in der
Kapazität des Verbrennungsofens der neuen Isocyanat-Anlage berücksichtigt. Der
Anteil an der Feuerungskapazität beträgt 40 %.
Für die
Bewertung des beantragten Vorhabens wurde eine Immissionsprognose erstellt. Die
Immissionsprognose berücksichtig die Gesamtemission der in der Acetonchemie
vorhandenen Verbrennungsöfen einschließlich der Emissionen des
Verbrennungsofens der Isocyanat-Anlage (siehe Tabelle 1).
Eingangsdaten für die
Immissionsprognose:
|
Ofen Isocyanatanlage |
Öfen Acetonchemieanlage |
||
Emissionen |
[kg/h] |
[mg/m³] |
[kg/h] |
[mg/m³] |
Stickoxide
(als NO2) |
8,0 |
200 |
14 |
200 |
Schwefeldioxid |
0,4 |
10 |
3,5 |
50 |
Gesamtstaub |
0,4 |
10 |
0,7 |
10 |
Kohlenmonoxid |
2,0 |
50 |
2,8 |
40 |
Gesamt C |
0,4 |
10 |
0,7 |
10 |
Zinnoxid
(aus Katalysator) |
0,02 |
0,5 |
|
|
Ammoniak |
1,2 |
30 |
|
|
Chlorwasserstoff |
0,4 |
10 |
|
|
Tab. 1: Eingangsdaten für die
Ausbreitungsrechnung gem. TA Luft[3]
Bei der Prüfung, ob der Schutz vor schädlichen
Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen sichergestellt ist, hat die
zuständige Behörde zunächst den Umfang der Ermittlungspflichten festzustellen.
Die Ermittlung der vorhandenen Immissionsbelastung (Vorbelastung) kann entfallen,
wenn die durch das Vorhaben hervorgerufene Zusatzbelastung als irrelevant im
Sinne der TA Luft einzustufen ist.
In Tabelle 2 sind die Ergebnisse der Immissionsprognose
(Zusatzbelastung des Vorhabens einschließlich der neuen Isocyanat-Anlage) sowie
die Bewertungskriterien für eine irrelevante Zusatzbelastung aufgeführt.
|
Zusatzbelastung gem. der
Immissionsprognose |
Bewertungskriterien |
||
Emittierter
Stoff |
Immissions- konzentration [µg/m³] |
Deposition |
irrelevante Zusatzbelastung |
|
Konzentrationa [µg/m³] |
Depositionb [mg/m²*d] |
|||
Stickoxide
(als NO2) |
1,2 |
--- |
1,2 |
--- |
Schwefeldioxid |
0,1 |
--- |
1,5 |
--- |
Gesamtstaub |
0,0 |
0,4 mg/m*d |
1,2 (PM10) |
10,5 |
Kohlenmonoxid |
0,31 |
--- |
-- |
-- |
Gesamt C |
0,06 |
--- |
--- |
--- |
Zinnoxid |
--- |
0,2 mg/m²*d |
--- |
10,5 |
Ammoniak |
0,16 |
0,51 kg/ha*a |
c |
--- |
Chlorwasserstoff |
0,03 |
--- |
--- |
--- |
a gem. Nr. 4.1 Buchstabe c der TA Luft in Verbindung mit Nr.
4.4.3
b gem. Nr. 4.3.2 der TA Luft
c Orientierungswerte NRW: 75 µg/m³ zum Schutz
landwirtschaftlicher Nutzpflanzen /
10 µg/m³ zum Schutz empfindlicher Ökosysteme
Tab. 2: Ergebnisse der Ausbreitungsrechung mit Gegenüberstellung
der Bewertungskriterien für die irrelevante Zusatzbelastung
Die durch den Betrieb der erweiterten Acetonchemie
verursachte Zusatzbelastung überschreitet die Irrelevanzschwellen der Nr. 4.2.2
(Schutz der menschlichen Gesundheit), Nr. 4.3.2 (Schutz vor erheblichen
Belästigungen oder erheblichen Nachteilen durch Staubniederschlag) und Nr.
4.4.3 (Schutz vor erheblichen Nachteilen) der TA Luft 2002 nicht. Eine
Ermittlung der Vorbelastung war deshalb nicht erforderlich.
Im Herstellungsprozess werden keine geruchsintensiven Stoffe
eingesetzt oder hergestellt, so dass sich gegenüber der derzeitigen Situation
keine Änderungen ergeben.
Geräusche:
Die Beurteilung der Auswirkungen der geplanten Erweiterung
auf die Geräuschsituation erfolgt auf der Grundlage einer
Schallimmissionsprognose.
Entsprechend den Vorgaben der TA Lärm[4]
ist die geplante Erweiterung zulässig, wenn folgende Anforderungen erfüllt
werden:
- Es müssen Schallschutzmaßnahmen entsprechend
dem Stand der Technik zur Lärmminderung geplant und realisiert werden (Nr. 3.1
b TA Lärm):
- An jedem Immissionsort in der bewohnten
Nachbarschaft muss mindestens eine der beiden folgenden Bedingungen erfüllt
sein:
· Die von den zu beurteilenden Anlagenteilen der Erweiterung verursachte Schallimmission dürfen zusammen mit der Vorbelastungs-Schallimmission den am Immissionsort gültigen Schallimmissionsrichtwert nicht überschreiten (Nr. 3.2.1 Abs. 1 TA Lärm).
·
Die
von den zu beurteilenden Anlagenteilen der Erweiterung verursachte Schallimmission
muss den am Immissionsort gültigen Schallimmissionsrichtwert um mindestens 6
dB(A) unterschreiten (Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm). Dann kann für diesen Immissionsort
die Bestimmung der Vorbelastung entfallen (Nr. 3.2.1 Abs. 6 TA Lärm).
In Tabelle 3 sind die nächstbenachbarten Wohngebäuden
(Immissionsorte) und die dazugehörigen Immissionsrichtwerte aufgeführt. Da die
Anlage kontinuierlich betrieben wird, sind die niedrigeren Nachtwerte für die
Bewertung maßgeblich.
In der dritten Spalte der Tabelle 3 ist die bestehende
Vorbelastung durch die Gesamtanlage aufgeführt. Um die Lärmrichtwerte an den
Immissionsorten einzuhalten, dürfen von den neu hinzukommenden Anlagenteilen
der geplanten Erweiterung die in der vierten Spalte der Tabelle 3 aufgeführten
Immissionsanteile ausgehen.
Immissionsort |
Richtwerte in dB(A) |
Vorbelastung durch die Gesamtanlage
in dB(A) |
Immissionsanteile für die Erweiterung
in dB(A) |
|
tags |
nachts |
nachts |
||
I1, Herzogstraße 35 I2, Herzogstraße 18 I3,
Eickeler Str. 30b/32 I4,
Eickeler Str. 76/78 I5, Riemker Straße |
60 60 60 60 55 |
45 45 45 45 40 |
44 43 43 40 39 |
39 41 40 43 34 |
Tab. 3:
Immissionsort, Lärmrichtwerte, Vorbelastung durch die Gesamtanlage und
Immissons-
anteile für die Erweiterung
Die
Ergebnisse der Immissionsprognose (Beurteilungspegel) für die geplante
Erweiterung einschließlich des dazugehörigen Werksverkehrs sind in Tabelle 4
aufgeführt.
Immissionsort |
Richtwerte in dB(A) |
Beurteilungs- pegel in dB(A) |
Richtwertunterschreitung in dB(A) |
|||
tags |
nachts |
tags |
nachts |
tags |
nachts |
|
I1, Herzogstraße 35 I2, Herzogstraße 18 I3,
Eickeler Str. 30b/32 I4,
Eickeler Str. 76/78 I5, Riemker Straße |
60 60 60 60 55 |
45 45 45 45 40 |
39 38 40 37 40 |
39 38 40 33 34 |
21 22 20 23 15 |
6 7 5 12 6 |
Tab. 4: Beurteilungspegel und Richtwertunterschreitungen
An allen Immissionsorten, mit Ausnahme am Immissionsort I3,
wird der Immissionsrichtwert um mindesten 6 dB(A) unterschritten. Die von der
beantragten Änderung verursachten Immissionsbeiträge sind deshalb als nicht
relevant anzusehen.
Am Immissionsort I 3 liegt der Immissionsbeitrag in der
Nachtzeit 5 dB(A) unter dem Immissionsrichtwert und erfüllt damit nicht das
Irrelevanzkriterium. Aufgrund der Vorbelastung an diesem Immissionsort darf von
der beantragten Änderung ein Immissionsbeitrag von 40 dB(A) verursacht werden,
um den Richtwert für die Nachtzeit einzuhalten. Dieser Anteil wird von den neuen
Anlagenteilen eingehalten, damit wird der Lärmrichtwert von der Gesamtanlage an
diesem Immissionsort eingehalten.
Verkehrsgeräusche:
Das bestehende Werk hat ein LKW Aufkommen von etwa 100
Fahrzeugen pro Tag. Durch die beantragte Änderung der Anlage ist mit einem
zusätzlichen Verkehrsaufkommen von ca. 20 LKW pro Tag zu rechnen. Die Anfahrt
erfolgt von der Dorstener Straße über die Werkszufahrt an der Riemker Straße.
Der Transport erfolgt nur während der Tageszeit.
Für die Riemker Straße wurden die durch den zusätzlichen
Verkehr erzeugte Zusatzbelastung ermittelt. Maßgebliche Immissionsort ist hier
die Wohnbebauung in der Klostermannstraße bzw. der Kleinen Hordeler Straße auf
Bochumer Stadtgebiet. Die Wohnbebauung befindet sich in einem Abstand von
mindestens 20 m zur Riemker Straße.
Die Beurteilung der Verkehrsgeräusche wurde nach RLS 90[5]
durchgeführt. Für den durch das Vorhaben zusätzlichen LKW Verkehr ergibt sich
ein Beurteilungspegel von 35 dB(A), der Grenzwert für Wohngebiete nach 16.
BImSchV[6]
beträgt tagsüber 59 dB(A). Der zusätzliche Verkehr trägt damit nicht relevant
zu einer Erhöhung des Immissionspegels bei.
Abwasser:
Im Rahmen der geplanten Änderungen fallen ca. 4 m³/h
zusätzliches Abwasser an. Das Abwasser wird über die Kanalisation der Stadt
Herne einer Kläranlage zugeführt. Die genehmigten Werte für die Einleitung in
die Kanalisation werden eingehalten.
Abfälle:
In der Anlage fallen flüssige Rückstände (Leichtsieder und
Hochsieder) als produktionsspezifische Abfälle an. Diese Abfälle weisen einen
Heizwert auf, der eine thermische Verwertung ermöglicht. Die flüssigen
Rückstände werden in den Verbrennungsöfen als Brennstoffersatz eingesetzt.
Einwendungen gegen das beantragte Vorhaben, wurden von
Seiten der Verwaltung nicht erhoben. Nebenbestimmungen zur beantragten
Genehmigung ergaben sich aus der bodenschutzrechtlichen, baurechtlichen und
wasserschutzrechtlichen Prüfung des Vorhabens.
Der
Oberbürgermeister
In
Vertretung
Terhoeven
[1]3,5,5-Trimethyl-2-cyclohexen-1-on
Aufgrund seiner besonderen chemischen Struktur dient Isophoron insbesondere als Rohstoff zur Herstellung zahlreicher chemischer Produkte.
[2] Die Rektifikation ist ein thermisches Trennverfahren zum Auftrennen eines Vielstoffgemisches.
[3] TA Luft, Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft, vom 24 Juli 2002
[4] TA Lärm, Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm, vom 26 August 1998
[5] RLS = Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen
[6] 16 BImSchV, Verkehrslärmschutzverordnung