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Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt Herne beschließt, alle Ehrenbürgerschaften der ehemaligen Städte Herne und Wanne-Eickel, die in der Zeit von 1933 - 1945 verliehen wurden, in einem symbolisch-politischen Akt abzulehnen und abzuerkennen, da diese Ehrenbürgerschaften von demokratisch nicht legitimierten Ratsversammlungen vergeben wurden und damit keinen Bestand haben.“
Sachverhalt:
Aufgrund einer nicht eindeutig definierten Rechtsgrundlage sowie der in der Vergangenheit unterschiedlichen Handhabung von Ehrenbürgerschaften aus der Zeit 1933 - 1945, ist es politisch angeraten, dass der Rat der Stadt Herne eine endgültig klärende Position zur Frage der „Aberkennung bzw. Distanzierung von Ehrenbürgerschaften“ aus dem genannten Zeitraum einnimmt.
Neben Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und Reichskanzler Adolf Hitler, den (uns bekannten) Ehrenbürgerschaften der Städte Herne und Wanne-Eickel in den Jahren 1933 bis 1945, ist in einer vorliegenden Liste auch der Herner Bürger Dr. Otto Heinrich Flottmann genannt.
Vor allem in Hinblick darauf, dass die belegte NS-Vergangenheit des Herner Bürgers Otto Heinrich Flottmann weitere Fragen aufwirft, wäre es für die Stadt Herne angeraten, pauschal alle Ehrenbürgerschaften zwischen 1933 und 1945 - im Rahmen eines symbolisch-politischen Aktes - abzuerkennen.
Die Begründung berücksichtigt, dass die „Flottmann-Hallen“ heute ein bedeutender Kulturstandort der Stadt Herne und damit ein wichtiger Imagefaktor sind.
Die Begründung berücksichtigt des Weiteren die Bedeutung des Namens „Flottmann“. Denn sie reduziert sich nicht auf Otto Heinrich Flottmanns politisches Bekenntnis zum Nationalsozialismus. Die Familie Flottmann muss unabhängig davon gesehen werden.
Auch die Bedeutung des Flottmann-Bohrhammers und der Flottmann-Werke für die Stadt Herne und den Bergbau der Region dürfen nicht in Zweifel gezogen werden.
Ziel von Erinnerungskultur ist es aber nicht, Stadtgeschichte von unbequemen Fakten zu bereinigen und damit die Flottmann-Hallen womöglich umbenennen zu wollen.
Ziel der Stadt Herne ist es, sich mit ihrer Geschichte intensiv und in manchen Themen stärker noch als bisher öffentlich auseinanderzusetzen.
Der Name „Flottmann-Hallen“ soll deshalb erhalten bleiben.
Die Verbindungen der Flottmann-Werke zum Nationalsozialismus werden durch eine Gedenktafel sowie in einer Dauerausstellung im heutigen Kulturstandort „Flottmann-Hallen“ sichtbar gemacht werden.
Hintergrundinformationen:
Seitens der Stadt Herne gibt es keine offiziell veröffentliche Liste der Ehrenbürgerschaften. Unter dem wikipedia-Eintrag Stadt Herne findet sich lediglich eine unvollständige Auflistung. Dort wird hinter der Ehrenbürgerschaft Hitlers angemerkt: „aberkannt“.
Dem Fachbereich Rat und Bezirksvertretungen liegt eine Liste vor, welche Ehrenbürgerschaften der Städte Herne und Wanne-Eickel vermerkt (unklar ist, ob diese vollständig ist.)
Folgende Namen sind dort genannt.
Ehrenbürger Gemeinde Beschluss (Rat) Sonstiges
Amtmann Friedrich Winter Wanne 01.01.1912
OB Hermann Schäfer Herne 01.10.1907
Paul von Hindenburg Wanne-Eickel 19.04.19331
Herne 03.04.1933
Adolf Hitler Wanne-Eickel 19.04.1933 Durch den Rat aberkannt
Herne 03.04.1933 am 06.09.1984
Otto Heinrich Flottmann Herne 24.12.1935
OB Edmund Weber Wanne-Eickel 16.12.1969
OB Robert Brauner Stadt Herne 05.02.1985
Aloys Weiss Herne 17.07.1957 Ehrenbezeichnung
„Stadtältester“
Die Ehrenbürgerschaften für Hindenburg und Hitler wurden in Herne (03.04.1933) und in Wanne-Eickel (19.04.1933) jeweils auf der ersten Sitzung der Stadtverordnetenversammlungen nach den März-Wahlen 1933 beschlossen.
Zur Rechtlichen Grundlage von Ehrenbürgerschaften:
„Ehrenbürgerechte“ sind nach gängiger Rechtsauffassung „Persönlichkeitsrechte“, die auf Lebenszeit verliehen werden und mit dem Tod der Person erlöschen.
Seit den 1970er Jahren gibt es um die Ehrenbürgerschaften Adolf Hitlers und ihre posthume Aberkennung eine rege politische Diskussion.
Für gerichtlich verurteilte Kriegsverbrecher wurde der Verlust des Ehrenbürgerrechts gemäß der Direktive 38 des Alliierten Kontrollrats in Deutschland vom 12. Oktober 1946 festgelegt.
Dies galt jedoch nicht für die Person Adolf Hitler, die nicht verurteilt wurde.
Aufgrund dessen haben verschiedene Städte bereits seit 1947 Hitler die Ehrenbürgerschaft in einem symbolischen Akt aberkannt.
Andere sahen diesen Schritt als überflüssig an, weil nach ihrer Auffassung die Ehrenbürgerschaft mit dem Tod des Ausgezeichneten erloschen sei.
Dieser Meinung schloss sich Ende der 1970er Jahre zunächst auch die Stadt Herne an, um fünf Jahre später ihren Standpunkt grundlegend zu verändern.
In einem Ratsbeschluss vom 06. September 1984 wurde Hitler die Ehrenbürgerschaft ausdrücklich aberkannt.
Wortlaut:
„Der Rat der Stadt Herne ist einmütig der Auffassung, dass Adolf Hitler die von der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Herne am 3. April 1933 und der Stadtverordnetenversammlung der ehemaligen Stadt Wanne-Eickel am 9. November 1933 verliehenen Ehrenbürgerrechte durch seine verbrecherischen Handlungen verwirkt hat und erklärt in aller Form die damaligen Beschlüsse für null und nichtig.“
(zur Erläuterung der Daten: Dieser Ratsbeschluss nennt mit dem Datum „9. November 1933“ für Wanne-Eickel den Tag der Ausstellung des Ehrenbürgerbriefes. Der Beschluss zur Ehrenbürgerschaft wurde bereits am 19. April 1933 gefasst. )
Biografische Daten Dr. Otto Heinrich Flottmann
Neben den (uns bekannten) Ehrenbürgerschaften der Städte Herne und Wanne-Eickel in den Jahren 1933 bis 1945, Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und Reichskanzler Adolf Hitler, ist auch der Herner Bürger Dr. Otto Heinrich Flottmann genannt.
Folgende biografische Daten liegen vor:
Otto Heinrich Flottmann wurde 1875 geboren. Unter seiner Leitung verlegten die Flottmann-Werke ihren Sitz von Bochum nach Herne (1902). Weltruf erlangte der Ingenieur und Industrielle, als ihm 1904 der erste kugelgesteuerte Druckluft-Bohrhammer patentiert wurde.
Am 24. Dezember 1935 verlieh die Stadt Herne dem Unternehmer die Ehrenbürgerschaft mit den Worten:
„Anlässlich der Vollendung seines 60. Lebensjahres verleiht die Stadt Herne Herrn Dr. Heinrich Flottmann in dankbarer Anerkennung seiner unermüdlichen und verdienstvollen, von echt nationalsozialistischem Geist getragenen Tätigkeit zum Besten von Stadt, Volk und Vaterlande unter Zustimmung des Beauftragten der NSDAP und nach Anhörung der Ratsherren das Ehrenbürgerrecht.“
Nach diesem Ratsbeschluss wurde Otto Heinrich Flottmann nicht nur als Unternehmer geehrt, sondern auch als früher Unterstützer der NSDAP:
Otto Heinrich Flottmann verstarb 1944, zuletzt im Rang eines Obersturmführers der SA, im fränkischen Erlangen. Nach dem Krieg wurde er zum Familiengrab der Flottmanns auf dem Wiescherfriedhof überführt.