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Finanzielle Auswirkungen in €
Teilergebnisplan (konsumtiv)
Produkt | Kontengruppe | Ertrag/Aufwand (-) |
Nr.: 5102 Bez.: Stadtentwicklung | Nr.: 13 Bez.: Aufwendungen für | - 10.000 € (2014) - 50.000 € (2015) |
| Nr.: 11 Bez.: Personalaufwendungen | - 175.000 € (2015) |
Teilfinanzplan (investiv)
Maßnahme | Kontengruppe | Einzahlung/Auszahlung (-) |
Nr.: Bez.: | Nr.: Bez.: |
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Beschlussvorschlag:
Sachverhalt:
Auftrag
Der Rat der Stadt Herne hat die Stadtverwaltung beauftragt, bis Ende 2013 darzustellen, wie der Prozess „Ziele und Wege hin zu einer inklusiven Stadt Herne“ initiiert werden soll. Teil und Auftakt soll eine Veranstaltung „Inklusive Stadt Herne“ sein, an der neben der Verwaltung alle relevanten zivilgesellschaftlichen Gruppen, insbesondere Selbsthilfeorganisationen beteiligt sein sollen. Im Laufe des Prozesses soll ein „Inklusionsplan Herne“ entstehen.
Selbstverständnis der Stadt Herne im Prozess
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) vom 13. Dezember 2006 ist von Deutschland am 30. März 2007 unterzeichnet und am 24. Februar 2009 ratifiziert worden. Mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt am 31.12.2008 wurde die UN-BRK unmittelbar geltendes nationales Recht, ihre Verwirklichung ist staatliche Aufgabe.
Die Verwirklichung ihres Anliegens ist zugleich aber auch kommunale Aufgabe. Die UN-BRK hat nicht im eigentlichen Sinne neues Recht geschaffen. Sie hat vielmehr gültige universelle Menschenrechte auf die besondere Situation von Menschen mit Behinderungen angewendet, denen in der Praxis häufig die vollständige und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe versagt bleibt oder versagt wird. Dieser Ansatz geht einher mit einer Veränderung des Verständnisses von „Behinderung“. Diese wird nicht mehr als personale Eigenschaft der Behinderten betrachtet, sondern als Ergebnis der Interaktion zwischen ihnen und der Gesellschaft. In der Sichtweise der UN-BRK sind Menschen nicht behindert, sie werden behindert. Aufgabe der gemeindlichen Daseinsvorsorge ist es, die alte und falsche Sichtweise zu überwinden, um nicht ihrerseits weiterhin und vermehrt zu behindern.
Es gibt auch in unserer Stadt viele „Altlasten“, materielle und immaterielle Barrieren, die Zeugnisse jener veralteten Sichtweise sind, die auch in der Gemeinde Herne und ihren Vorläufern vorherrschte. Niemand kann ernstlich erwarten, dass ein teilhabefreundlicher Umbau der Stadt weniger als eine Generationenaufgabe wäre. Rat und Verwaltung der Stadt Herne wollen sich aber gemeinsam mit der Stadtgesellschaft, mit Betroffenen, mit Einrichtungen, Verbänden, Wohnungsunternehmen, Verkehrsbetrieben, Arbeitgebern und vielen anderen auf den Weg begeben, eine inklusivere, teilhabefreundlichere Stadt zu werden. Dabei sollen bestehende gute Strukturen, Vernetzungen, Ansätze – solche, die den Ansatz der UN-BRK vorweg- und aufgenommen haben – einbezogen und gestärkt werden.
In besonderem Maße gilt dies für das unabhängig entstandene, derzeit in der Beantragungsphase befindliche zivilgesellschaftliche Projekt „Forum Inklusion Herne“, in welchem Caritasverband, Diakonisches Werk und Stadtsportbund ganz ähnliche Zielsetzungen verfolgen. Hier sind bereits erste Gespräche geführt worden, in welcher Weise beide Vorhaben miteinander verzahnt werden können. Insbesondere wird das Forum möglicherweise eine wichtige Rolle in der Verstetigung der Entwicklung hin zu mehr Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Herne spielen.
Prozessbausteine und ‑struktur
Die folgenden vier Prozessbausteine sind für einen erfolgreichen Weg hin zu einer inklusiveren, teilhabefreundlicheren Stadt unverzichtbar.
Für den zweiten bis vierten Baustein gibt es Entsprechungen im Projekt „Forum Inklusion Herne“, die für eine Kooperation genutzt werden sollten.
Der vom Rat der Stadt als Teil und Auftakt des Prozesses beschlossenen Auftaktveranstaltung kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Mit ihr werden die relevanten Akteure einbezogen, die Bestandsaufnahme und die Entwicklung von Handlungsempfehlungen gestartet und ein deutliches, öffentliches Signal für den notwendigen Bewusstseinswandel gegeben. Entsprechende Erfahrungen aus der Projektvorlaufphase zum geplanten „Forum Inklusion Herne“ sollten hierbei genutzt werden.
Die Prozessstruktur wird getragen von Arbeitsgruppen, die sich thematisch an den verschiedenen Lebensbereichen orientieren. Diese Struktur wird mit der Auftaktveranstaltung konstituiert, Anzahl und Themen der Arbeitsgruppen werden bis dahin noch konzipiert werden. Es ist sinnvoll, dabei die im Forum Inklusion vorgesehenen Arbeitsgruppen Arbeit/Ehrenamt, Kultur/Bildung, Freizeit/Sport und Öffentlichkeitsarbeit zu berücksichtigen. Zunächst nicht einbezogen wird im Prozess das Thema „Inklusion und Schule“, da hier bereits – auch geregelt durch entsprechende Gesetze und Verordnungen – ein separates Verfahren läuft.
Parallel zur Bestandsaufnahme und zur Entwicklung von Handlungsempfehlungen in den Arbeitsgruppen ist bei Einrichtungen und Diensten die vorhandene Unterstützungsstruktur zu erheben. Ergebnis wird ein „Inklusionsplan Herne“ sein, der den beteiligten Akteuren als Richtschnur ihrer künftigen Planungen dient. Der Inklusionsplan wird nach Gender-Kriterien aufgestellt.
Erfahrungen aus anderen Städten und Kreisen in NRW zeigen, dass für diesen Ablauf ein bis zwei Jahre zu veranschlagen sind. Darüber hinaus hat es sich als hilfreich erwiesen, sowohl bei der Bestandsaufnahme als auch bei der Moderation des Prozesses in dieser Anfangsphase externe Dienstleister zu beauftragen. Der Gesamtprozess ist mit Vorlage des „Inklusionsplans“ nicht beendet, sondern soll von den Beteiligten anschließend weitergeführt und regelmäßig überprüft werden.
Prozessschema
Prozesssteuerung
Für die Steuerung des Gesamtprozesses wird eine Lenkungsgruppe unter Vorsitz des Sozialdezernenten eingerichtet. Deren Mitglieder sind aus der Politik je ein Mitglied der Ratsfraktionen, aus der Verwaltung Vertreter/innen der anderen Dezernate und Leiter/innen besonders betroffener Fachbereiche, die Vorsitzende des Beirates für die Belange von Menschen mit Behinderungen, der Vorsitzende des Selbsthilfebeirates, der Vorsitzende des Seniorenbeirates, ein/e Vertreter/in des Psychosozialen Plenums und ein/e Vertreter/in des „Forums Inklusion Herne“. Darüber hinaus können Vertreter/innen von Einrichtungen und Diensten, der Wohnungswirtschaft, der Kaufmannschaft, der Arbeitsagentur, der Sportvereine usw. berufen werden. Die Lenkungsgruppe berät die Ergebnisse der Auftaktveranstaltung und der Arbeitsgruppen sowie den Entwurf des „Inklusionsplans Herne“.
Die Geschäftsführung des Prozesses und der Lenkungsgruppe wird zukünftig von der oder dem städtischen Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung (Arbeitstitel) bzw. einer vergleichbaren Stelle mit Querschnittsaufgaben[1] wahrgenommen werden.
Die unter Beteiligung von Betroffenen, Angehörigen und anderen relevanten Akteuren neben der Verwaltung gebildeten thematischen Arbeitsgruppen werden jeweils von städtischen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern koordiniert.
Steuerungsschema
Varianten mit Kostenabschätzung
Auftaktveranstaltung
Referenz: Die halbtägige Integrationskonferenz in Herne vom 21.11.2013 mit 180 Teilnehmern, ohne Mietkosten, mit geringen Referentenhonoraren und Catering, verursachte Kosten in Höhe von ca. 8.000 €.
Kostenschätzung: Zu einer breit angelegten Auftaktveranstaltung im Herbst 2014 werden ca. 150 Teilnehmer erwartet. Gegenüber der Integrationskonferenz sind u. U. zusätzlich Mietkosten einzuplanen, in jedem Fall aber Barrieren mindernde Veranstaltungstechnik, Honorare für Gebärdendolmetscher u. ä. Deshalb werden als Kosten 10.000 € veranschlagt, die überplanmäßig für das Haushaltsjahr 2014 zur Verfügung gestellt werden müssen.
Alternativen: Als Varianten sind eine eintägige Veranstaltung und eine Fachtagung mit geringerer Beteiligung geprüft und verworfen worden. Eine eintägige Veranstaltung käme nicht nur deutlich teurer, sondern wäre u. U. auch weniger effektiv. Erfahrungen mit einschlägigen Konferenzen zeigen häufig nach der Mittagspause eine deutlich reduzierte Teilnehmerzahl. Eine Fachkonferenz entspräche nicht dem Ratsauftrag einer Beteiligung aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen.
Bestandsaufnahme und Prozessmoderation durch externe Dienstleister
Referenz: Einem interkommunalen Vergleich von Inklusionsansätzen und –plänen der Stadt Dortmund vom August 2013 zufolge sowie eigenen Ermittlungen in anderen NRW-Kommunen kann bei einer Prozessmoderation, die auch die Bestandsaufnahme der Bedarfe und Angebote beinhaltet, mit Kosten in Höhe von 50.000-100.000 € je Jahr gerechnet werden. Für die Bestandserhebung, die in der Regel ins erste Prozessjahr fällt, kann dabei überschlägig die Hälfte der Kosten dieses Jahres veranschlagt werden. Im Abschlussjahr des Prozesses fallen in der Kalkulation der Anbieter Kosten für die Erstellung eines Inklusionsberichts bzw. –plans ins Gewicht. Grundsätzlich wird in den folgend dargestellten Varianten die untere Grenze des angegebenen Intervalls gewählt. Der interkommunale Vergleich zeigt darüber hinaus, dass in den meisten Fällen für den Prozess anderthalb bis zwei Jahre zu veranschlagen waren, eine anderthalbjährige oder kürzere Dauer konnte meist dort erreicht werden, wo die Kommunen mit dem Thema traditionell vertrauter waren.
Variante 1: Für Herne werden eine Prozessdauer von zwei Jahren und damit Kosten in Höhe von 100.000 € veranschlagt, von denen je 50.000 € in die Haushaltspläne für die Jahre 2015 und 2016 einzustellen sind.
Variante 2: Für Herne werden eine Prozessdauer von 18 Monaten und damit Kosten in Höhe von 75.000 € veranschlagt, von denen 50.000 € in den Haushaltsplan 2015 und 25.000 € in den Haushaltsplan 2016 einzustellen sind.
Variante 3: Für Herne werden eine Prozessdauer von einem Jahr und damit Kosten in Höhe von 50.000 € veranschlagt, welche in den Haushaltsplan 2015 einzustellen sind.
Weitere Varianten erscheinen nicht sinnvoll.
Bewertung: Angesichts der Haushaltslage der Stadt Herne wird Variante 3 bevorzugt. Möglicherweise ist nach dieser kurzen Erarbeitungsdauer der entstandene „Inklusionsplan Herne“ nicht von gleicher Qualität wie nach einem längeren Prozess. Auf dem Weg hin zu einer inklusiveren und teilhabefreundlicheren Stadt kann aber auch eine einjährige externe Unterstützung einen Initialschub verleihen.
Personalaufwand
Die Schaffung der Planstelle einer oder eines Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung wird haushaltswirksam Mehrkosten verursachen, die durch organisatorische Maßnahmen vermindert, nicht aber vermieden werden können.
Im Interesse einer transparenten und ganzheitlichen Kostenprognose sind auch jene Kosten zu berücksichtigen, die durch den Personalaufwand (Stellenanteile und ganze Planstellen) im Prozess entstehen. Eine genaue Prognose der mit der Projektdurchführung einhergehenden intrakommunalen Arbeitsbelastung ist derzeit schwierig. Aus organisatorischer Sicht kann von zusätzlichen Arbeitsplatzkosten (Sachkosten + Personalkosten) in Höhe von mindestens 175.000 € ausgegangen werden, die sich wie folgt aufschlüsseln:
Mangels bisheriger Berücksichtigung in der Haushaltsplanung sind dies zusätzlich entstehende Kosten, die vor dem Hintergrund der Haushaltssituation und der Beteiligung am Stärkungspakt durch entweder zusätzliche Erträge oder Aufwandsreduzierungen an anderer Stelle kompensiert werden müssen. Die richtige Verortung der zusätzlichen Stelle ist noch zu klären.
Externe Förderung
In der Vorbereitungsphase wird die Verwaltung Möglichkeiten für eine finanzielle Förderung des Prozesses ermitteln und zu nutzen versuchen. Auch nach Ablauf der extern unterstützten ersten Phase sollen für umsetzungsorientierte Projekte nach Möglichkeit Mittel akquiriert werden.
[1] In den meisten jener Städte und Kreise in NRW, die einen Inklusionsprozess begonnen haben, gibt es die Stelle einer oder eines Behindertenbeauftragten. Neben den klassischen Hilfe-, Koordinations- und Beratungsaufgaben sind diese Stellen für Querschnittsaufgaben konzipiert, wie die Beteiligung an allen Vorhaben und Maßnahmen der Gemeinde, um frühzeitig die Belange von Menschen mit Behinderung geltend machen zu können, oder die in der UN-BRK mehrfach angesprochene Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit wie innerhalb der Stadtverwaltung.